von hier nach dort und mitten drin
Rayelle Niemann, Zürich, März 2021
Zwei entscheiden sich, sich zu verbinden. Sie haben sich entschieden, ihre Verbindung bei jeder Zusammenarbeit neu zu verhandeln. Das entstehende, poetische Dazwischen dieser Verbundenheit, connectedness, steht in der Mathematik für grundlegende topologische Eigenschaften von Mengen, die einer intuitiven Vorstellung entsprechen, keine Brüche zu haben. (online Britannica).
Seit JOKO connected ihren Werkzyklus1995 begonnen haben, sind architektonische und inhaltliche Räume zentral für die Entwicklung ihrer Performances. Die sich heraus kristallisierenden Motive und Themen übersetzen sie in eine klare Bild- und Formsprache, die keine Ablenkung durch etwas zu viel oder etwas zu wenig zulässt. Ob auf öffentlichen Plätzen, an sakralen Orten, in Kunst-Kontexten und als vertiefend visualisierte Inhalte zu Projekten/ Ausstellungen entworfen, ebnen sie einen Weg ihrer geschaffenen Bilder für eine archaische Ästhetik oder doch für Verweise auf eine antike Klassik. Sie tasten die Schwellen von Bekanntem und Unbekanntem ab.
Der Körper/Mensch und seine Belange wurden von unruhigen, subversiven wie kreativen Protestformen auch in den 90er Jahren ins Zentrum politischer Forderungen und sozialer Fragen gestellt. Die Kritik der 68er-Bewegungen am Kapitalismus, den zugeschriebenen Geschlechterrollen, an der Geschichtsschreibung und -aufarbeitung war mit aktuellen Forschungen zum Politischen im Privaten eng verbunden. Seit den 70er Jahren trugen die Performancekünste zu einer beschleunigenden Dichte bei, in der die schmerzhaften wie lustvollen Prozesse der Selbstbefragung aufgenommen und in grössere gesellschaftliche Zusammenhänge gestellt wurden. Exhibitionistisch ausformulierte Momente reihten Botschaften von emotionalen Bindungen, Erkundungen zwischenmenschlicher Möglichkeiten und Erfahrungen aneinander. Zwei Frauen überwinden in ihrer Performancereihe connected öffentlich körperliche und seelische Schmerzen, getragen von Ausdauer und Konzentration. Diese zeitbegrenzten Aktionen, die skulpturalen Entsprechungen, die nicht nur künstlerische Methoden und Debatten geprägt haben, sind in unserem Gedächtnis eingebrannt. Ein hedonistisches Selbst entwirft Bilder in der Performencekunst, die mit einer unmittelbaren Präsenz der Protagonistinnen Dringlichkeit vergegenwärtigen :: die Dauer der Handlung entspricht der Zeit, in der das Werk lebt; entsteht und vergeht.
Von den vielen Performances JOKO connected zwischen 1995 und 2000 sind Fotos und Videos vorhanden, die von einer erstaunlich präsenten Aussagekraft zeugen. Auch nach 20 jähriger Pause fügen sich die Arbeiten von damals inhaltlich wie formal nahtlos an die pointierten und erfrischenden Aussagen der neuen Performances. Sie unterstützen sich gegenseitig in einer Zeitlosigkeit, die Fragen immer wieder anders formuliert und aktuelle Schwerpunkte setzt. Heute ist neben einer Fraktalisierung durch identitäre Gruppenbildungen das gesellschaftliche und individuelle Begehren für einen gesunden Körper in die Mitte politischer, ökonomischer und sprachlicher Strategien gerückt; gelenkt von einer Pandemie, die zwischenmenschliche wie räumliche Parameter verschiebt.
Gestern wie heute sind während den Performances keine Regungen in den Gesichtern von Karin Jost und Regula J. Kopp abzulesen. Weder die Schmerzen der Nadeleinstiche, noch das Zittern der Arme unter der Last eines grossen Steines spiegeln sich in ihren Gesichtszügen. Gezählte Ein – und Ausatmungen unterstützen den Rahmen, den die Performerinnen ihren Bildern geben und den Rhythmus der gestalteten Bilder selbst. Die Spiegelung in der anderen, die verschieden ist, ermöglicht den Perfomerinnen in schützender Verbundenheit, strukturierte Intervalle vollendeter, reduzierter, repetitiver Bewegungen und Ausharren zu entwickeln.
Für mich problematisieren Karin Jost und Regula J. Kopp dabei keineswegs die Paar-Beziehung. Gegensätze einer verbindenden Beziehung interessieren sie nicht in ihren Arbeiten. Auch die Verschmelzung wird nicht angestrebt. Vielmehr loten sie das Gleiche/Ähnliche/Vertraute in der anderen aus und umgehen dabei das Eins-sein einer Wir-Bildung. Es sind und bleiben zwei, die sich verbinden für diesen zeitlich begrenzten Moment. Ganz bei sich bleibend komponieren JOKO eine überzeugend intensive Präsenz und übermitteln dem Publikum symbolische Grenzerfahrungen. Diese dritte flexible, nicht vorhersehbare Instanz der Betrachter*innen ist eingeladen, die Erfahrungen, das Bild jenseits von Kodierungen aufzunehmen und ihrerseits die Konzentration und Verbundenheit der Performerinnen herauszufordern, wenn sie die Ruhe, Unruhe, die Spannung, Entspannung der beiden empfangen und zurückgeben.
In Stille verbinden sich ihre aufeinander gerichteten Blicke. Für das perfekte Bild ihrer Aussagen definieren sie Farben und Materialien, die die wechselseitigen, gleichen, ritualisierten Abläufe im Spiel mit körperfremden wie körpereigenen Stoffen hervorheben. JOKOs physische Einsätze und ihr geistiger Wille unter – und übermalen minutiös das Hin und Her von Energien in einem kommunikativen Dazwischen, vereinen Präsenz = Zeit für ein Bild.